Leise klingelt der Notenschlüssel

Text: Isabel Steppeler, erschienen in den BNN vom 14.03.2018, mit freundlicher Genehmigung

Die ehemalige Rihm-Schülerin Kathrin A. Denner erhält den deutschen Musikautorenpreis

Mit Freundinnen auf der Mauer sitzen, den Kirchglocken lauschen und warten, welcher Oberton Überhand gewinnt und ins Bewusstsein schwingt. „Mein Gott, war ich ein Nerd“, lacht Kathrin A. Denner. Dennoch: Wenn sie von ihrer Kindheit spricht, bekommt ihr Charisma den warmen Schimmer eines Menschen, den die Sonne geküsst hat. Die roten Haare tragen dazu bei. In Strahlungen in Franken verbrachte die heute 31-jährige Komponistin eine „superbehütete Kindheit am Dorfrand“ und braucht nur wenige Worte, um alles zu sagen: „Das war schön.“

Kein Wort ist zu viel, wenn Kathrin A. Denner von sich redet. Die junge Frau, die sich selbst „ein bisschen sensibel“ findet, macht verbal nicht viel Aufhebens um das, was sie ist. Ihre Arbeit spricht für sich. Mit Erfolg. Als Komponistin ist Denner Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe, unter anderem der Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik (2013) und des Young Composers Meeting (2012) im niederländischen Apeldoorn. Der Preis, der jetzt winkt, war für sie eine Überraschung: Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) würdigt Denner mit dem 10 000 Euro dotierten Nachwuchspreis des deutschen Musikautorenpreises. Am Donnerstag reist die überzeugte Buddhistin nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Zug („für meine CO2-Bilanz“) zur Gala ins „Ritz“ nach Berlin. Dort trifft sie auch auf Klaus Doldinger, der den Preis für sein Lebenswerk und Musiken wie der „Tatort“-Melodie oder den Soundtrack zu „Das Boot“ erhält. Außerdem auf viele Nominierte in acht weiteren Kategorien, aus denen die Jury noch die Preisträger bestimmt. Sie werden eine große, leise klingelnde Zinn-Skulptur in Form eines Notenschlüssels heimtragen, „denn sie schaffen einzigartige Werke, die uns berühren, uns durch den Alltag begleiten und unsere Kultur prägen“, heißt es.

Kathrin A. Denner staunt mit heiterer Neugier über die bunte Mischung an Nominierten. Bei Kategorien wie „Text Hip-Hop“ oder Bands wie „Rammstein“ ist die ehemalige Schülerin von Wolfgang Rihm nur bedingt unter ihresgleichen. Denn das hat Denner mit ihrem früheren Lehrer gemeinsam: Sie kann gut ohne Unterhaltungsmusik leben. In ihren eigenen vier Wänden erklinge nur „die vorgelesene Zeitung“ (Deutschlandfunk) und Musik der Marke, die auch ihr bei diesem Preis zufällt: „E“ für „ernst“. Nur zwei Notnägel habe sie im Regal für Anlässe wie neulich, als sie die Nachbarn in ihre neu bezogene Dachwohnung in der Karlsruher Südstadt eingeladen hatte. „Da muss man ja Musik laufen lassen, aber welche?“ lacht sie und erzählt mit kessem Stolz von ihren zwei Ausreißern: einer Dixieland-CD und dem Album „In meiner Mitte“ von Annett Louisan. Track 5 habe diesen Balkan-Beat, den Denner liebt, „wenn man unterwegs ist und Party machen möchte. Mit Mozart geht das ja schlecht“.

Ansonsten gelte: „Musikhören ist etwas Intimes.“ Hinhören ist für Denner wie die Luft zum Atmen. Sie liebt Beethoven und Sibelius. Zwar sind die Eltern keine Musiker, aber sie habe das Glück gehabt, mit „Bayern 4 Klassik“ ausgewachsen zu sein. Heute hört sie mal mit den Ohren der Trompeterin, dann darf dick aufgetragen werden mit Mahler oder Bruckner. Die Komponistin in ihr liebt die reduzierten Partituren eines Anton Webern oder Igor Strawinsky.

Dass sie Musikerin werden würde, war ihr früh klar. Wie ihre beiden Geschwister durfte auch sie zwei Instrumente spielen und entschied sich für Klavier sowie voller Leidenschaft für die Trompete. Die Berufsfachschule für Musik sei dann die perfekte Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung in Saarbrücken gewesen, wo Denner von 2006 bis 2012 Trompete studierte sowie Dirigieren, Musiktheorie und Komposition bei Theo Brandmüller.

Es folgten fünf fruchtbare Jahre in Karlsruhe als Rihm-Schülerin in einem Unterricht, in dem man „über das spricht, was einen bewegt. Was anderes ist Komponieren ja auch nicht. Selbstreflexion“, erinnert sich Denner an die Schule bei dem berühmten Komponisten, mit dem sie nicht nur das Desinteresse an U-Musik teilt, sondern auch daran, ihre Werke zu erklären. Ein Gefühl dafür, wie ihre Musik entsteht, bekommt man vielmehr beim Teetrinken. Ein Schluck aus ihrer Tasse mache ihr deutlich, wie viele Menschen dazu beitragen, „dass ich jetzt diesen Tee trinken kann“. Vernetzung ist ihr in jeder Hinsicht wichtig und den Gedanken der Vernetzung übertrage sie auch in ihre Musik.

Tradierte Besetzungen und das Ausloten der Möglichkeiten eines Instruments sind rote Fäden in Denners Werken. Organik spiele eine große Rolle, sie spricht von „Wucherungen“, welche die Stücke untereinander vernetzen. Ihre Berufung zum Komponieren hinterfragt Kathrin A. Denner nicht. „Ich habe das Talent bekommen, jetzt muss ich was daraus machen“, ist ihre Einstellung. „Meine Aufgabe ist es, mich hinzusetzen und zu komponieren, egal ob es jemandem gefällt oder nicht.“